Neben der Sprache und den traditionellen Frauentrachten, die heute noch bei festlichen Anlässen getragen werden, ist die Architektur der Wohnhäuser einer der interessantesten Aspekte der Walser Kultur und stellt ein anschauliches Beispiel ihrer Anpassungsfähigkeit an die örtlichen Gegebenheiten dar. Denn alles konnte sich von einem Tal zum anderen ändern: das an Ort vorhandene Baumaterial, die wirtschaftlichen Bedingungen der Ackerarbeit, der Bau- und Lebensraum, der künstlerische Einfluss aus der Talsohle usw.
Und jedes Mal musste eine gegebene Siedlergemeinschaft neue Lösungen finden, die sich in Bezug auf Bautechnik und -stil oft völlig von allen anderen unterschieden. Doch einige grundsätzliche Elemente sind fast identisch bei allen Walser Bauten wiederzufinden. Das auffälligste ist zweifellos der Einsatz von Holz nach der alten Technik des Blockbaus, bei der die Holzstämme ineinander verschränkt werden.
Ein bedeutungsvolles Beispiel der Walser Architektur sind die typischen Häuser von Alagna Valsesia im Piemont, welche auf geschickte Art alle Funktionen des Lebens und Arbeitens in den Bergen in sich vereinen: Wohnhaus, Stall, Speicher, Heuschober, Lager und Werkstatt.
Ebenfalls im Piemont, im Pomatt wie auch in Bosco Gurin, im Kanton Tessin (und weiter in Graubünden), widerspiegelt das Walserhaus hingegen noch treuer die Typologie der ursprünglichen Walliser Täler: Der Stadel mit Stall und Scheune ist ein eigenständiges Gebäude, das oft weiter vom Wohnhaus entfernt steht, während der hintere Teil des Wohnhauses mit dem „Feuerhaus“ (der Küche) aus Stein gemauert ist, um das Gebäude vor Bränden und Stürmen zu schützen.
Die durch den Specksteinofen geheizte Stube ist das Herzstück des Wohnhauses, der bevorzugte Raum der Mythologie und des Alltags vieler Walser Generationen. In der Stube verbrachte die Familie den Großteil des Winters in einer Art „menschlichen Winterschlafs“, dank dem die alten Siedler während langer Zeitspannen – manchmal bis zu acht Monaten – mit den spärlichen Nahrungsmitteln auskommen konnten, welche der Berg im Winter bot, wobei sie weitestmöglich ihre Kräfte schonten.